Krieg, Klimawandel, Pandemien, Extremismus: Die Grundlagen unseres Zusammenlebens auf diesem Planeten erscheinen uns in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts so umringt von Gefahren, so zerbrechlich und bedroht wie vielleicht nie zuvor. Verlockend ist die Versuchung, angesichts all dieser Krisenspiralen den Kopf in den Sand zu stecken. Es gäbe (noch) viel zu tun, aber wo beginnen? Woher die Ideen nehmen, wie es besser werden könnte? Und welche Rolle kann die Kunst dabei spielen? Rund um den Globus stehen Freiheit und Demokratie auf dem Prüfstand. Im Jahr des Frankfurter Paulskirchenjubiläums wollen wir im Gespräch mit verschiedenen künstlerischen Positionen die Widerstandskraft einer offenen Gesellschaft stärken.
Die japanische Theaterkuratorin Chiaki Soma hat das internationale Theaterfestival »Theater der Welt«, das unter ihrer Programmdirektion vom 29. Juni bis 16. Juli 2023 in Frankfurt und Offenbach stattfinden wird, den Fragen nach dem gefährdeten Zustand unserer Gegenwart gewidmet. Die eingeladenen Künstler:innen entwickeln neue Visionen des Umgangs mit Welt, Umwelt und Gesellschaft. In unterschiedlichen ästhetischen Entwürfen erproben sie ein Denken, Fühlen und Handeln, das uns dabei helfen mag, den gegenwärtigen Krisen zu begegnen. Als Vorgeschmack auf dieses Programm präsentieren wir in der Reihe »Where do we go from here?« Künstlerinnen des Festivalprogramms im Gespräch mit Expert:innen aus der Region.
29. Januar 2023
Transformation (a strange loop)
Die Regisseurin Susanne Kennedy im Gespräch mit der Philosophin Juliane Rebentisch
Krankheit und Heilung, Erwachen und Schlaf, geboren werden, gebären, sterben – Lebenszyklen strukturieren sich entlang von Transformationen. Es sind Zustände des Übergangs und der Ungewissheit, in denen sich die geteilte Erfahrung der Fragilität des Lebens spiegelt. Welche Wechselwirkung besteht zwischen Identität, Bewusstsein und diesen Transformationen? Und wie überträgt sich dies auf künstlerische Prozesse? Fragestellungen im Zentrum von »Theater der Welt« 2023, die sich auch in der neuen Arbeit »ANGELA (a strange loop)« von Susanne Kennedy und Markus Selg wiederfinden. Die Philosophin Juliane Rebentisch und Susanne Kennedy nehmen diese Gedanken als Ausgangspunkt eines gemeinsamen Gesprächs.
Susanne Kennedy ist Regisseurin. Mit ihren hyperrealistisch-verfremdenden Inszenierungen ist sie auf den großen Schauspielbühnen Europas vertreten. Seit einiger Zeit arbeitet sie mit dem Künstler Markus Selg zusammen.
Juliane Rebentisch ist Professorin für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. Die Forschungsschwerpunkte ihrer Arbeit umfassen Ästhetik, Ethik und politische Philosophie.
19. Februar 2023
Other ways of being together.
Die Künstlerin Samara Hersch im Gespräch mit der Soziologin Sarah Mühlbacher
Samara Herschs aktuelles Werk ist eingebettet in einen partizipativen, generationenübergreifenden Diskurs, der Intimität durch Distanz und nicht-hierarchische Formen des Wissensaustauschs erforscht. Wie können durch Gespräche zwischen den Generationen kritische Perspektiven zu Unsicherheit, Hoffnung und Veränderung entstehen?
Nach einer Einführung in ihre jüngsten Arbeiten wird Hersch ihre Erkenntnisse anhand eines Gesprächs zwischen einer jungen und einer alten Person praktisch verdeutlichen. Anschließend sprechen Samara Hersch und Sarah Mühlbacher über den Austausch und die Demokratisierung von transgenerationalem Wissen und intergenerationaler Fürsorge.
Samara Hersch ist Regisseurin und lehrende Künstlerin. Sie untersucht in ihrer Praxis die Schnittstelle von zeitgenössischer Performance und gesellschaftlichem Engagement. Ihre Arbeiten wurden international gezeigt und mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Jurypreis und dem Publikumspreis des Zürcher Theater Spektakels.
Sarah Mühlbacher ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und am Institut für Sozialforschung (IfS). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Childhood Studies, der kritischen Theorie sowie (queer-)feministischer, post- und dekolonialer Theorien.
19. März 2023
Incubationism: im Schwebezustand der Gegenwart
Die Autorin und Regisseurin Satoko Ichihara im Gespräch mit der Programmdirektorin von »Theater der Welt«, Chiaki Soma.
»Incubationism« lautet die Wortschöpfung, die Chiaki Soma als Titel über »Theater der Welt« 2023 gesetzt hat. Gemeint ist damit die Beschreibung einer Grenzsituation in der Gegenwart, in der das Zukünftige zugleich befürchtet und ersehnt wird. Der antike Begriff der »Inkubation« bezeichnet einen Schlaf, in dem der (erkrankte) Mensch in Kontakt tritt mit dem Mythischen – auf Heilung oder neues Leben hoffend, zugleich aber die Fortdauer der Symptome fürchtend. Satoko Ichihara schreibt und inszeniert Werke, in denen (alb)traumartig Mythos und Gegenwart kollidieren – surreale Welten, in denen aus dem Abseitigen der Impuls zur Erneuerung entsteht.
Wohin führt uns der Weg aus der »Inkubation« aktueller und zukünftiger Krisen? Brauchen wir nur neue Ideen – oder müssen wir lernen, neu zu denken? Und was bedeutet das für ein internationales Festival wie »Theater der Welt«?
Satoko Ichihara ist Dramatikerin, Regisseurin, Romanautorin und künstlerische Leiterin des Kinosaki International Arts Center sowie der Theatergruppe Q. Ihre Stücke wurden mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie 2020 den Kishida Kunio Drama Award für »The Bacchae – Holstein Milk Cows«.
Chiaki Soma ist Gründerin und stellv. Direktorin des Kollektivs Arts Commons Tokyo. Sie war u. a. als Programmdirektorin von »Festival/Tokyo« (2009–2013), Kuratorin für darstellende Künste der Aichi Triennale (2019/2022) und Executive Producer des Toyooka Theater Festivals 2021 tätig. 2015 wurde sie mit dem französischen Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres und 2021 mit dem Kunstförderpreis des japanischen Kulturministers ausgezeichnet. Sie ist außerdem Professorin an der Graduate School of Fine Arts der Tokyo University of the Arts.
Das Gespräch findet auf Japanisch statt und wird simultan übersetzt.
14. Mai 2023
Nach der Erschöpfung?
Die Regisseurin Gosia Wdowik im Gespräch mit der Politologin Saba-Nur Cheema
Sie demonstrieren, blockieren Straßen, performen, singen oder schweigen einfach – überall auf der Welt brechen sich Proteste gegen Ungleichheit, Unrecht und Unfreiheit Bahn gegen staatliche Kontrolle und Unterdrückung. Oft stehen Frauen an der Spitze dieser Aktionen. Die weißen Kleider in Belarus, die brennenden Hijabs im Iran oder die rosafarbenen Pussy Hats auf der ganzen Welt sind nur einige Beispiele dafür, wie sich Frauen Gehör verschaffen. Die Folgen sind jedoch häufig schwerwiegend, manchmal sogar tödlich. Die Körper der Protestierenden sind gefährdet und erschöpft. Wie können wir aus einer solchen Erschöpfung heraus Veränderungen (oder Kunst) schaffen? Wie kann das Theater ein Ort der politischen Handlungsfähigkeit sein? Gosia Wdowik, die sich in ihrer nächsten Arbeit mit dem Thema Erschöpfung im Kontext von Frauenrechtsprotesten beschäftigen wird, spricht mit der Politikwissenschaftlerin und Publizistin Saba-Nur Cheema.
Gosia Wdowik ist Theaterregisseurin und Präsidentin des Verbandes der polnischen Theaterregisseur:innen. Sie beschäftigt sich mit dem Thema Burnout und erforscht den Raum zwischen Erschöpfung und Handlungsfähigkeit, indem sie Methoden aus dem Aktivismus in ihre künstlerische Praxis einbringt. Sie machte ihren Abschluss am DAS Theater in Amsterdam.
Saba-Nur Cheema ist Politikwissenschaftlerin und Publizistin. Sie entwickelt Konzepte für die Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit in einer postmigrantischen Gesellschaft. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Zusammenarbeit mit Migrantenselbstorganisationen und muslimischen Gruppen. Sie ist Mitglied des unabhängigen Expertenkreises »Muslimfeindlichkeit« der deutschen Bundesregierung.
Moderation: Cécile Schortmann
Cécile Schortmann studierte Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Gesellschaftspolitik und Kultur sind seit 1999 die Themenschwerpunkte ihrer Arbeit. Sie moderiert u.a. für das hr-fernsehen, die ARD , arte und für den Deutschen Buchpreis. 2022 gewann sie den Deutschen Fernsehpreis für ihre Moderation der 3Sat-Sendung »Kulturzeit«.
Ansprechpartner:innen: Alexander Leiffheidt
Eine Kooperation des Schauspiel Frankfurt mit dem Institut für Sozialgeschichte und der Hochschule für Gestaltung, Offenbach
Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Frankfurt und der BHF BANK Stiftung.
www.schauspielfrankfurt.de
»Where do we go from here? The arts in troubled times«
is a series of events presenting artists from the festival programme of the international theatre festival »Theater der Welt« which will take place in Frankfurt and Offenbach from 29th June to 16th July 2023. Ahead of the actual opening, the international artists will enagage in dialogue with regional experts around central questions of the festival.For an English version of this leaflet, please follow this link:
https://www.schauspielfrankfurt.de/spielplan/extras-202223/where-do-we-go-from-here/
»Theater der Welt 2023« in Frankfurt-Offenbach, ein Festival des Internationalen Theaterinstituts (ITI), wird veranstaltet von Künstler*innenhaus Mousonturm, Schauspiel Frankfurt und Museum Angewandte Kunst, in Kooperation mit dem Amt für Kulturmanagement der Stadt Offenbach.
www.theaterderwelt.de
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